LESEPROBE
Die Grunderziehung
Die
Grunderziehung eines Hengstes sollte so früh wie möglich
beginnen. Bei einer Stute oder einem Wallach kann man Probleme
leichter beseitigen oder gar nicht erst entstehen lassen, Stuten
und Wallache reagieren einfühlsamer und weniger triebgesteuert,
bei einem Hengst wird es aber gleich richtig hinterfragt, denn
diese Testen nicht nur an, sondern spulen ein volles Ich-bin-ein-
Hengst-Programm herunter. Sie müssen nicht täglich mit dem
Junghengst arbeiten, für ihn ist die Gruppe noch am wichtigsten,
aber es muss regelmäßig sein, 2x pro Woche ist gut, sie brauchen
auch Zeit, um das Erlernte zu festigen, aus diesem Grund lasse
ich einen oder zwei Tage Pause dazwischen. Daher funktioniert
Erlerntes fast immer in der Wiederholung ohne Probleme, wenn
es zwei Tage später nochmals abgefragt wird.
Wichtig bei all der Erziehung ist die Stimme und die Gestik, die
wir einsetzen. Wir benutzen nur eindeutige Worte und eindeutige
Gesten. Später, wenn unser Hengst dies alles beherrscht, können
Sie so verfahren, wie ich es mit Shahmas praktiziere. Es ist der
absolute Vertrauensbeweis. Er bringt mich oft zum Lachen, ich
kann mit ihm spielen, ich kann ihn knuddeln und mit ihm den
Weg gehen, von dem ich als Kind nur träumen konnte. Aber bis
dahin war es sehr harte Arbeit, begleitet natürlich auch von Spaß
und Freude. Unsere beiden Wesen passen auch hervorragend zusammen.
Nichts wäre schlimmer, als wenn man nicht vom gleichen
Stern ist. Denn gleiche oder sehr ähnliche Charaktere, sowohl
beim Menschen, als auch bei den Tieren, sind wichtig für
die Harmonie und das Verständnis füreinander. Außer
Stangentraining, Pylonen durchlaufen vorwärts und rückwärts, spielen
wir Ball und seit ca. 2 Jahren habe ich mit zirzensischen Lektionen
angefangen, die er mit Freude annimmt.
Wie lange oder bis zu welchem Alter ist ein Hengst überhaupt erziehbar?
Es gibt keine allgemeingültige Regel, denn wie ich anfangs schon
beschrieben habe, gibt es unter Hengsten auch absolute
Spätentwickler! Diese erkennen erst sehr, sehr spät und wissen dann erst,
dass sie ein Hengst sind. Aber: eine einfache Regel, um all den
Stress zu vermeiden, besagt: früh übt sich!
Nicht erzogene Althengste sind eine Gefahr! Sie sind nicht mehr
ohne Weiteres erziehbar, daher gibt es auch keine Trainer für sie!
Die Handhabung eines solchen Hengstes erfordert weit aus mehr
als Geduld. Man kann bei ihnen nämlich nicht mehr sagen, wann
ihre Persönlichkeit umkippt, sie haben die Fäden in der Hand.
Das war der jahrelange Lernprozess bei diesen Hengsten! Sie
sind mit allem durchgekommen, der Mensch hat versagt.
Also, wenn Sie sich nicht von Anfang an, sprich ab dem Fohlenalter,
um konsequente Erziehung am Hengst bemühen und meinen,
och, der Arme, wir können ja mit 3 Jahren anfangen, dann
hat er eine tolle Kindheit oder Jugend, dann ist es in der Regel
viel zu spät! Der Hengst kennt alles, was er bis dahin kennen
muss, um dominant zu sein und seinen Widersacher zu schlagen,
d.h. er wird Sie als Konkurrenten ansehen und kann Sie unter
Umständen schwer verletzen. Und mit Gewalt brechen ist die
allerschlechteste Methode.
Ein gutes Beispiel für Unberechenbarkeit in der Hengstjugend
z.B. sei hier aus meiner Praxis erzählt: Shahmas, mein asiler
Araberhengst, bemerkte im Alter von 2 Jahren, dass er ein
Hengst ist. Er stand nie alleine, sondern mit dem Traberwallach
Boris gleichen Alters, der viel größer war als er, zusammen. Zu
diesem Zeitpunkt hatte ich noch einen 21- jährigen Althengst,
einen 7 jährigen Quarterhorse-Deckhengst, zwei 1,5-jährige AV-
Hengste und einen Appaloosahengst und Shettyhengst, beides
Jährlinge. Trotz meiner Bodenarbeit am Anfang, ich besaß ihn ja
schon ein Jahr lang und arbeitete mit ihm fast täglich, hinterfragte
er mich plötzlich und stieg mich an. Klar, dass ich erst dachte,
hei, hab´ ich da irgend etwas nicht mitbekommen? Im Gegenteil,
er hatte nur von einem Tag zum anderen plötzlich das Verlangen,
den Leithengst raushängen zu lassen. Sofort reagierte ich, denn
das bewusste Ansteigen ist immens gefährlich. Erst schickte ich
ihn nur fort und wollte über das Be-the-Leader-Training, nicht
zu vergleichen mit dem "Monty`s Join-up ©" von
Monty Roberts, dass er mir mit gesenktem Kopf folgt. Beim Hengst ruft
das einfache "Monty`s Join-up ©" aufgrund der Hormone
Rivalitäten hervor, die ihn unter Umständen ermuntern, einen Kampf
einzugehen, damit er die Gene weitertragen und damit als stärkster
Hengst das Leittier wird. Er kam angeschossen und stieg mich
ein zweites Mal an, diesmal ließ ich ihn rückwärts gehen, er stieg
wieder, ich setzte ihn weiter rückwärts und forderte ihn auf,
seinen Kopf beim Rückwärts richten zu senken.
Sie werden es nicht glauben, es kostete mich mehr als eine halbe
Stunde, um diesen aufmüpfigen jungen Burschen in seine
Schranken zu weisen. Bis heute hat er es nie wieder in dieser Art
und Weise getan, trotzdem kann man sich nicht darauf ausruhen.
Er ist mittlerweile 9 Jahre alt. Ich kann ihn problemlos knuddeln,
wird er nur etwas deutlicher mit seiner Liebkosung, so brauche
ich ihm nur ein "Nein" zu sagen und er lässt sofort ab. Das ist
aber das Ergebnis von jahrelanger Erziehung vom Absetzer bis
heute mit den Be-the-leader-Gesetzen, die ich regelmäßig
abfrage. Das ist ein großer Unterschied zwischen einem "Monty`s
Join-up ©" mit Wallachen und Stuten, die sich nach dieser
Aktion fügen und das nicht permanent hinterfragen. Darauf kann man
beim Hengst nie hoffen. Daher sind die von mir beschriebenen
Gesetze und besonders das Kopfsenken unwiderruflich
notwendig beim regelmäßigen Umgang mit Hengsten. Es ist aus diesem
Grunde nicht wunderlich, dass sich nur sehr wenige Pferdekenner
an Hengste heranwagen, die noch nicht erzogen und älter als
3 Jahre sind.
Nur einen Tag später musste ich ihn auch von seinem
Wallachkumpel Boris trennen. Grund: er hatte einen Kampf mit ihm
angezettelt, den Boris auch als dominanter Wallach verlor. Er lag
auf dem Boden und Shahmas stieg und ließ seine Vorderhufe
ständig in seinen Bauch prallen. Boris hatte schwere Hämatome,
die nur langsam abheilten. Obwohl er um ein vielfaches gewaltiger
an Größe war, hatte er gegen Shahmas keine Chance.
Merke: Eine gute Grunderziehung vom Fohlenalter an ist der
Schlüssel für einen gut erzogenen, untergebenen Hengst,
vorausgesetzt, das seine Hormone mit seinem Wesen im Einklang stehen!
Triebgesteuerte Exemplare sollten dringend gelegt = kastriert werden!
Unter starkem Hormoneinfluss sind Hengste nie zu steuern, sondern
eine Belastung für Mensch und Umwelt. Das
gibt sich auch nicht im Alter!
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