BUCHPRÄSENTATION

Angelika B. Hirsch

An den Schwellen des Lebens - Warum wir Übergangsrituale brauchen

8 S/W-Abbildungen, 228 Seiten

01. 03. 2011 VVPN 00001020  

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Autor-Info:

Dr, Angelika B. Hirsch, Berlin hirsch@grenzgaenge.de

 

Zusammenfassung

Leseprobe

ZUM INHALT

Die heutige Gesellschaft hat kaum noch Rituale. Besonders deutlich wird das an den Schwellen des Lebens:
Geburt, Erwachsenwerden, Hochzeit, Berufswechsel, Tod.
Dieses Buch beschreibt, wann, wie und warum typische Übergangsrituale wirken und wie sie aufgebaut sind. Viele Beispiele und Geschichten machen deutlich, dass die alten, überlieferten Formen, wie sie auch durch Märchen, Mythen und Epen überliefert sind, voller Weisheit und praktischer Lebenshilfe stecken. Warum sollte das, was immer geholfen hat, nicht auch heute helfen?

LESEPROBE

Am Eingang

Das Stolpern über die Türschwelle galt immer als unglückliches Vorzeichen. Das Ins-Haus-hinein-Stolpern wie das Aus-dem-Haus-hinaus-Stolpern ist ebensowenig gut wie das In-eine-Sache-hinein-Stolpern. Jeder Mensch hat das in der einen oder anderen Weise schon erfahren. Wir fühlen uns nicht wohl, wenn wir gegen den eigenen Willen, gegen das eigene Tempo oder unvorbereitet in eine andere, neue Situation hineingeraten. Das Leben hält viele solcher kleinen und auch großen Stolperschwellen bereit, die richtig überschritten werden wollen. Menschen haben schon immer die Erfahrung gemacht, dass der Übergang in eine neue Situation eine heikle Angelegenheit ist, die genauer Regelungen bedarf, damit man eben nicht das unglückliche Gefühl hat, gestolpert zu sein.

Das Symbol des Überschreitens einer Schwelle steht in unserem Kulturkreis seit Jahrtausenden für die Problematik zu Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Warum eine Schwelle? Menschen in Europa sind aufgrund der klimatischen Bedingungen auf relativ stabile Häuser angewiesen. Die Grundbalken eines Gebäudes heißen eigentlich Schwellen. Sie geben Stabilität; an ihnen werden die Wände verankert, so wie auf den Bahnschwellen die Gleise verlegt werden. Im Alltagssprachgebrauch verstehen wir unter Schwelle meistens nur die Türschwelle. Sie ist ein sichtbarer Grundbalken des Hauses. Über sie muss man schreiten, um in den schützenden und geschützten Bereich des Hauses zu gelangen. Auf die Schwelle eines Feindes setzen wir dagegen keine Fuß, und auch er soll nicht über unsere Schwelle kommen. Sind wir irgendwo neu, bleiben wir zunächst an der Schwelle stehen und schauen uns um. Erwarten wir einen gerngesehenen Gast, dann begrüßen wir ihn schon auf der Schwelle und wir begleiten ihn auch bis dorthin, wenn er sich wieder verabschieden muss.

Die Türschwelle ist eine elementare Grenze zur feindlichen Außenwelt. Auch wenn wir nicht an Geister glauben und in einer relativ sicheren Umwelt leben, kennen wir das Aufatmen, wenn wir nach langer Abwesenheit, nach einem anstrengenden Arbeitstag, nach komplizierten Begegnungen mit Menschen wieder über unsere Wohnungsschwelle schreiten und die Tür hinter uns schließen. Unsere Vorfahren haben dieses Erleben in bildhafte und sehr konkrete Vorstellungen gefasst: Sie nahmen zum Beispiel an, dass die Geister sich unter der Schwelle sammeln und von dort nicht weiter können. Damit dies so bleibt, wurden ihnen Opfer dargebracht und es wurde sorgfältig darauf geachtet, dass die Schwelle richtig behandelt wurde. Sie wurde blank gescheuert. Der Kehricht wurde nicht über die Schwelle hinausgekehrt, weil dann mit ihm das Glück hinausgekehrt worden wäre. Man betrat die Schwelle gar nicht oder wenn, dann möglichst mit dem rechten Fuß. Der Sarg mit dem Toten wurde dreimal auf der Schwelle niedergesetzt, damit er nicht wiederkäme und im Haus, wohin er nicht mehr gehörte, herumspukte. Ein noch ungetauftes Kind wurde nicht aus dem Haus über die Schwelle getragen, damit ihm die Geister nicht schadeten. Zur Sicherung des Segens im Haus wurden Glücksbringer an der Schwelle angebracht, zum Beispiel das Hufeisen. Tote wurden mitunter unter der Schwelle bestattet, um den Lebenden Segen zu bringen. Und die Braut - das ist ein Brauch, den auch wir noch kennen - wurde bei ihrem ersten Einzug ins Haus vom Bräutigam über die Schwelle getragen.

Dies alles ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Fülle der Bräuche, die sich um die Türschwelle ranken. Manches mag dem einen oder anderen primitiv oder abergläubisch oder folkloristisch erscheinen. Vieles wird sich aber doch im Grunde mit unserem Erleben decken. Die alten Bilder und Symbole stimmen auch für uns moderne Menschen noch: Das Überschreiten einer Schwelle, der Übergang von einem in den anderen Bereich oder von einer in die andere Lebensphase wird auch von uns immer wieder als kritischer Vorgang erlebt. Sogar mehr als das: Trennung kann uns das Herz zerreißen; die Angst vor etwas ganz Neuem kann größte Panik hervorrufen; es gibt Übergangssituationen, in denen wie tausend Tode sterben.

Aus diesen urmenschlichen Grunderfahrungen sind in allen Kulturen Übergangsrituale - ein synonymer Begriffe, den wir gelegentlich auch verwenden werden ist Schwellenrituale - entstanden, die dem Einzelnen oder auch einer Gruppe helfen sollen, die kritische Situation eines Übergangs zu bewältigen. Man könnte Rituale als eine ursprüngliche und sehr wirksame Form von Krisenmanagement und Lebenshilfe bezeichnen.

Heute sehnen sich viele Menschen wieder nach dieser altbewährten Form der rituellen Begleitung an den Schwellen des Lebens. Denn das Leben bietet auch uns, trotz allen kulturellen Fortschritts, trotz unserer ziemlich weitreichenden materiellen und politischen Sicherheit, mehr als genug Gelegenheiten über Schwellen zu stolpern. Wie unsere Vorfahren brauchen wir Hilfen, um die Schwellen des Lebens glücklich zu überschreiten. Warum sollte nicht auch für uns das alte Wissen der Übergangsrituale hilfreich sein? Könnte es nicht möglich sein, verstaubte und halb vergessene Formen wieder zu beleben? Könnte nicht rituelles Handeln eine sinnvolle Ergänzung unseres gewohnten Nachdenkens und Diskutierens sein?

Das vorliegende Buch beschreibt, was lebendige und wirksame Übergangsrituale ausmacht, wie und warum sie funktionieren, was sie bewirken, was ihr tiefster Sinn und ihr großes Ziel ist. Wir haben dieses Wissen im Laufe der Zeit zum großen Teil verloren, aber es lässt sich leicht wieder erschließen. Wenn diese Quelle freigelegt ist, dann können sich Formen bilden, die unserer Zeit und unseren Bedürfnissen entsprechen. Der Umweg über die Geschichte, den wir dazu nehmen müssen, ist weder mühsam noch trocken. Geschichte besteht aus Geschichten und die sollen in diesem Buch reichlich erzählt werden. Sie erzählen vom Leben und seinen immer wiederkehrenden Themen: Geborenwerden, Erwachsenwerden und Sterbenmüssen - und allem, was an Stolperschwellen dazwischen ist. Wir werden auch Umwege nehmen, gelegentlich abschweifen, das Thema von den verschiedensten Seiten umkreisen, doch alles dient dem Ziel, die Weisheit der Rituale, die Kraft ihrer Bilder und Handlungen zu begreifen.

Schwellenrituale begleiten den Übergang von einer Lebensphase in eine andere, das heißt, sie gestalten Lebenszeiten, die geprägt sind von Abschied, Trennung und Schmerz. Die menschliche Erfahrung hat hierin immer auch Todeserfahrungen gesehen. Und so spielen in diesen Ritualen Bilder des Todes eine herausragende Rolle. Deshalb wird es auch in diesem Buch immer wieder um den Umgang mit dem Tod gehen - allerdings mit dem Ziel, so gut es irgend geht zu leben.

 

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