BUCHPRÄSENTATION

Karl Scheuringer

Innviertler Triptychon und Geschichten aus der weiten Welt

Erzählungen, 192 Seiten
DVD

28. 11. 2011 VVPN 00001016  

DRUCK   Erzählungen, 192 Seiten

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Autor-Info:

Karl Scheuringer

 

Zusammenfassung

Leseprobe

ZUM INHALT

Ein Triptychon ist ein dreiteiliges Altarbild, meist auf mittelalterlichen Flügelaltären. So ein Flügelaltar konnte ganz klein sein, damit man den Altar mit auf Reisen nehmen konnte, oder groß genug, den Altarraum einer gotischen Kathedrale bis zur Decke auszufüllen.

Das Innviertler Triptychon ist eher der kleineren Abteilung zuzuordnen: Für eine Hauskapelle gedacht, die ein braver Christ zum Dank für die Errettung aus einer schicksalshaften Situation erbaut hat. Weil der umstürzende Baum nicht ihn erschlagen hat, sondern den Nachbarn. So etwas in der Art.

"Die Fischerin" ist das größere Bild in der Mitte. "Der Schrankenwärter" ist am linken Flügel abgebildet, "Der Steineklopfer" am rechten. "Ein Fußballturnier" wurde auf die Rückseite des Altars gemalt.

Dass auch die Rückseite verziert wurde, war nicht unüblich. Gesehen hat es halt fast niemand.

Weil der Altar doch zu groß war, dass man ihn auf Reisen mitnehmen hätte können, ließ der Maler einige Male den Altar im Innviertel zurück und brach auf in die weite Welt.

Ein paar der Bilder, die der Maler des Triptychons aus der Welt nach Hause trug, folgen: Nach dem Lokalen das Internationale.

Auf vier Geschichten aus dem Innviertel in Oberösterreich folgen 15 Reiseerzählungen aus Südostasien, dem Mittleren Osten, Afrika und Mittelamerika. Teils komisch, teils ernst, traurig, teils gemischt, wie das Leben halt so spielt. Privates und Historisches, kulturelle Besonderheiten werden angesprochen. Aber es sind Geschichten, keine wissenschaftlichen Abhandlungen.

Auf der beigelegten DVD finden Sie Diashows zu den einzelnen Geschichten.

Und es gibt eine Playlist: Musik, die zu den Texten passen würde.

"die fiass de gengan wia vo selba
und de strassn de fangt an vor meiner tia
nur wo s' aufheat woass ma nia
und wo s' hinfiart woass ma nia
und ob ma z'ruckkummt woass ma nia
halt nit an"
(Hubert von Goisern: Halt nit an.(= Bleib nicht stehen). 2011)

Viel Vergnügen und Nach- und Vordenken beim Lesen!

LESEPROBE

"Life can be strange, but love can be stranger than fiction, only love can be stranger than fiction."
(Joe Jackson: Stranger than fiction. 1991)

Die Fischerin

Das hier ist eigentlich keine Erzählung, sondern die Schilderung dessen, wie ich zu einer Erzählung, oder wenigstens zu deren Titel und Hauptfigur gekommen bin. Eigentlich - unser Deutschprofessor im Gymnasium pflegte zu sagen, dass "eigentlich" ein Wort sei, dass man eigentlich immer weglassen könne, denn es sage nichts aus. Na ja, so ganz stimmt es nicht: Es gibt eine ganze Reihe von Wörtern, die eigentlich nichts sagen, aber doch den Geschmack eines Satzes anders (besser?) machen. Aber in diesem Fall hat der Herr Professor Recht. Es ist ja doch eine Erzählung, nicht über etwas, sondern mehr über mich. Wie ich zu einer Geschichte kam, zur Fischerin.

Von Mining Richtung Braunau fahrend springt man zweimal über die Bahngleise von Linz nach Braunau. Man springt wirklich, wenn man nicht langsam fährt. Dazwischen liegt ein kleines Wäldchen, durch das sich eine hübsch geschwungene S-Kurve windet. Charly legte immer seinen Ehrgeiz hinein, diese Kurve sehr elegant und Vollgas zu fahren. Das war nicht mehr als 50. Er saß auf einem Puch-Moped MS50, damals allen als schwarzes Post-Moped bekannt. Nur seines war hellblau gestrichen, und es war ein Jahr älter als er.

Nach dem Wäldchen links ein paar neue Einfamilienhäuser gegen die Schotterstufe hin, rechts sieht er vom verlöschenden Abendlicht eingedunkelte Roggenfelder vor sich. Das gibt es aber nicht, es ist schon Ende September, Anfang Oktober. Das Getreide ist längst gedroschen. Es müssen Stoppelfelder gewesen sein, die er gesehen hat.

Der Weg gabelt sich: Links führt er über die Schotterstufe zur Hauptstraße hinauf, rechts nach einer scharfen Kurve über eine Beton-Brücke mit grünem Geländer an einem Landgasthaus vorbei auf die zweite Bahnübersetzung zu schneidet die Straße in mäßiger Entfernung vom Inn durch die Au. Charly ist kalt im Fahrtwind. Es ist Herbst, der Abend eines der schönen Herbsttage, die das Jahr so wertvoll machen und gleichzeitig den Abschied davon schwer. Über seinen Nacken drängt sich von Osten her die Nacht. Vor ihm glänzen orangerote Wolkenfäden und violette Bauschen.

Vom Inn herauf ziehen über die taunassen Wiesen rechts vom Fahrdamm vereinzelte Nebelschleier. Wenn man hinunterginge, würde man durch sie hindurchwaten.

Charly ist gegen Kälte viel zu empfindlich. Gänsehaut kriecht die Unterarme hinauf. Er beugt sich nach vorne, damit die Ärmel der Windjacke über die Knöchel am Handrücken hinunter gleiten, und fasst die Bündel eng in der Faust zusammen, damit der Fahrtwind nicht mehr die Ärmel hinaufzieht. Bei der linken Hand an Kupplung und Gangschaltung ist es einfach, die bleibt ruhig, aber die rechte am Gas ist schwierig. Man muss loslassen, um das Bündel zusammenzuraffen. Er verliert an Geschwindigkeit. Es ist nicht leicht, mit geballter Faust, nur mit Daumen und Zeigefinger Gas zu geben. Wegen der vielen Mücken und der tränenden Augen behält er die Sonnenbrille auf, obwohl er so fast nichts sieht. Er kennt die Strecke so gut, dass er sie in der Nacht ohne Licht fahren könnte.

Kurz nach einem von Obstbäumen umgebenen kleinen Bauernhaus, einem Sacherl, sieht er hinter Nebelschwaden eine Frau mit Kopftuch, die einen Leiterwagen zieht. Sie kann nicht älter als 40 sein. Der Leiterwagen ist groß genug, dass darin ein Mann hocken kann, ohne sich an ein paar anderen Gerätschaften zu stoßen, die im vorderen Teil verstaut sind. Im Vorbeifahren scheint es, dass er behindert sein könnte.

Was Charly im Weiterfahren beschäftigt hat: Gibt es eigentlich Fischerinnen? Sie muss mit dem Leiterwagen vom Inn heraufgekommen sein. Es war kein Grasschnitt auf dem Wagen, also kann sie nur fischen gewesen sein. Bis dahin war in seiner Vorstellung Fischer ein Männerberuf. Und: War es ihr Mann oder ihr Bruder? Sie muss ihn sehr geliebt haben, dass sie ihn mitgezogen hat, was immer sie getan hat.

Liebe war auch der Grund, dass Charly diese Strecke so oft gefahren ist. Seine Freundin Christine sagte manchmal, sie könnten einander in der Kirche von Mühlheim treffen und miteinander reden, spazieren gehen. Die Kirche war nicht allzu weit von ihrem Elternhaus entfernt. Vielleicht würde sie kommen, wenn es ihr möglich wäre. Er war immer dort zur vereinbarten Zeit. Sie nie. Als erwachsenem Mann war es Charly total unverständlich, dass sie deswegen nicht gestritten haben, er ihr keine Vorwürfe gemacht hat. Es war einfach so. Nach einer halben Stunde Warten ist er dann nach Hause gefahren. Er war nicht einmal sonderlich enttäuscht. Es hätte ihn eher überrascht, wenn sie doch einmal gekommen wäre.

Charly saß oft in der Kirche. Gebetet hat er damals nicht mehr. Die Gnade, glauben zu können, war ihm im vergangenen Jahr abhanden gekommen. Er wollte wissen. Also war er Kommunist. Er schaffte es nicht mehr, sich vorzustellen, dass es einen Gott gäbe, der, obwohl allmächtig, all das Leid zulässt, das so viele Menschen unschuldig ertragen müssen.

Kein philosophischer Erklärungsversuch von Augustinus über Thomas von Aquin und Leibniz bis Teilhard de Chardin konnte ihn überzeugen, mit diesem Widerspruch versöhnen. Sein Engagement in der katholischen Kirche als kooptiertes Mitglied im Pfarrgemeinderat gab ihm den Rest. Die Bigotterie und Doppelmoral war ihm unerträglich. Er war sich sicher: Wenn es Gott gäbe, müsste man ihn für seine Verbrechen oder Unterlassungen vor Gericht bringen, oder, was wahrscheinlicher war: Es gibt ihn nicht. Die Menschen haben ihn erfunden.

Dabei hatte die Beziehung von Charly und Christine, die ihn in die Kirche von Mühlheim verschlug, angefangen wie normale Jugendlieben in dieser Zeit. Eine Party, Flaschendrehen, Kuss auf dem Polster. Er hatte insgeheim gehofft, dass er bald mit ihr zusammengelost würde. Sie waren schon ein halbes Jahr in derselben Klasse. Die Intensität der Schmuserei zeigte ihm, dass auch auf der weiblichen Seite Interesse bestand. Den Rest des Abends hingen sie auf der Tanzfläche aufeinander. Jeder L´amour-Hatscher bot erwünschte Gelegenheit, sich enger aneinander zu drängen, die Schmuserei zu intensivieren.

Ab diesem Abend wussten alle: Die zwei sind jetzt zusammen. In jeder Pause in der Schule gemeinsam die Runden ums Stiegenhaus drehen (Im Uhrzeigersinn war vorgeschrieben. Gegen den Uhrzeigersinn war ein Verstoß, der geahndet werden konnte.), Händchenhalten, zum Bahnhof begleiten, ein Abschiedskuss bis zum nächsten Tag.

Ein paar Monate später, im Frühsommer, war einmal genug Zeit, bis Christine nach der Schule heimfahren musste, dass sie noch miteinander in die Au, ins Überschwemmungsgebiet gegangen sind. Es war trocken, höchstens taunass. Trotzdem hat Charly seine Jacke zum Sitzen ausgebreitet. Ihr Kleid: Grün, großes Blumenmuster, ärmellos, eher nicht Baumwolle. Das warme Mittagslicht schien durch Ulmen und Weiden auf ihr Plätzchen. Es war wunderschön. Sie war für ihn wunderschön. Sie waren verliebt.
Es war das letzte Mal, dass sie sich begrabscht haben, geschmust.

Es kamen die Ferien. Charly verdiente sich sein Geld als Ferialpraktikant bei der Post, Christine war auf Sprachkurs in Frankreich. Charly fuhr mit dem verdienten Geld mit einem Freund nach Amsterdam, Brüssel und Paris, per Autostopp. Rembrandt in Amsterdam, Manneken-Pis in Brüssel, Mona Lisa im Louvre. Große Augen über Architektur und Kultur von Großstädten vom Buben aus der Kleinstadt, Und zwischen Köln und Bonn ist Charly das erste Mal mit einem Auto schneller als 200 gefahren. Nur per Anhalter mitgefahren, eigentlich.

Christine und Charly schrieben einander liebevolle Briefe und Ansichtskarten von ihren Erlebnissen und nahmen einander Geschenke mit. Ihre Beziehung dauerte noch zwei Jahre.

 

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