BUCHPRÄSENTATION

Lothar Köster

Wölfe auf der Flugfeldsteppe

Kriminal-Erzählung, 900 Seiten

18. 12. 2014 VVPN 00001033  

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Autor-Info:

Lothar Köster, Berlin

 

Zusammenfassung

Leseprobe

ZUM INHALT

Der Krimi: Auf dem Tempelhofer Flugfeld, im Schneegestöber der Karfreitagnacht, brennt es. Das Feuer ist bizarr inszeniert, es ist voller Symbolik, es verweist auf unbekannte Tote, und es ist nach technischer Sachlage undurchführbar.

Eine Kette von Anschlägen und Fehlalarmen hetzt die Ermittler in den folgenden Tagen durch alle Ecken Neuköllns, während sie der Lösung des Feuerrätsels nur scheinbar näher kommen.

Der Krimi umfaßt eine Zeitspanne von gerade einmal acht Tagen, in der sich Abgründe auftun und bizarre Wege öffnen.
Menschen treffen auf Geheimnisse, und sie sehen Flammen im Schnee, Wölfe in den Schafen und Offenheit im Verschlossenen.
Ein fiktiver Thriller, aber: erschreckend möglich, beschämend denkbar, verstörend realistisch.


Der Kontext: Auf Berlin-Neukölln werden erheblich mehr Vorurteile abgeworfen als leere Bierdosen.
Absinkende Magazine, volksmundbedürftige Abendlandretter und willige Chart-Autoren veranstalten hier Klischee-Rennen ohne Tiefenbegrenzung. Aber Berlin-Neukölln ist all das Andere, das es kennen zu lernen lohnt.
Und: Neukölln ist alles, nur nicht langweilig.

Die Handlung dieses Kriminal-Thrillers wurde noch vor Einstellung des Tempelhofer Flugbetriebes entworfen, mit einem Blick durch den Maschenzaun auf die möglichen Zukünfte dieses Feldes und seiner Anwohner.

Der Krimi handelt von fiktiven Personen und Ereignissen in einer Vergangenheit, in der die realen Ereignisse noch höchst fiktiv angemutet hätten.

Zu dieser Zeit plante der Berliner Senat in alter Gewohnheit die Verschiebung der Filetstücke des Tempelhofer Feldes an die Immobilienlobby.

Im Winter 2010/11 gefiel sich eine Baustadträtin, im Rahmen einer Informationsveranstaltung einhundert ungläubig staunenden Neuköllnern knapp 80% Restfläche als großzügiges Geschenk zu versprechen, jedenfalls vorläufig.

Der Autor fühlte sich mathematisch provoziert, stand auf und erklärte den verblüfften Senatsvertretern, daß die Bürger ziemlich genau 100% des Tempelhofer Feldes beanspruchen würden, zumal es ihnen ja bereits gehören würde.

Am 25. Mail 2014 stimmte eine sehr deutliche Mehrheit der Berliner für genau diese Forderung.

LESEPROBE

 

[Sonntag ~15:10]

 
 

 

 

Ort: Historische Abfertigungshalle im Flughafengebäude;

Zeit: Knapp zwei Tage nach dem Feuer;

Kommissar und Partner sprechen mit Antiterror-Chef, dessen SEK-Abteilung bei einem Einsatz im Flughafengebäude soeben mit einem verwirrenden Kommunikationsproblem konfrontiert wurde.

(Die Erzählung verwendet Rollennamen, keine realistischen Personennamen.)


   

...

"Was haben wir denn?" Es war eine wirklich neue Erfahrung, so entspannt mit Antiterror-Chef zu plaudern, aber Kommissar hatte natürlich die spezielle Konkurrenzsituation und die ethischen Differenzen nicht vergessen. Antiterror-Chef nickte kurz, sah sie aber beide erst recht lange abschätzend an, ohne eine Miene zu verziehen. "Wir haben eine Kiste mit Funkzündern in der Post gefunden. Nach der Antennengröße Gigaherzbänder, vermutlich also Telefon-Zündung." Nach weiteren Sekunden Pause griff er in die Tasche, zog einen Plastikbeutel heraus und warf ihn auf den Tisch. Partner hob ihn vorsichtig hoch, und sie sahen darin einen Metallzylinder von der Größe von fünf übereinandergeklebten 1-Euro-Münzen. Aus dem Boden des Zylinders ragte ein spitzer Dorn, als würde es sich um eine übergroße Reißzwecke handeln. "Ein hübsches Designerstück. Und wenn ich die Nummer weiß, kann ich es per Anruf zünden?" Partner gab den Beutel an Kommissar weiter, der den Metallkörper fasziniert von allen Seiten besah. Wann bekam man heute noch einen Gegenstand in die Hand, der nicht von allen Seiten mit Logos und Warnhinweisen bedruckt war. "Typischerweise wird er durch den Anruf aktiviert, damit er seinen Zündkondensator lädt. Eine Tasteneingabe oder das erste laute Wort zünden ihn dann. Wenn man nichts tut, zündet er nach einer festen Wartezeit."

Kommissar legte das Teil wieder auf den Tisch. "Also ist diese Art von Zündern bekannt?" - "Sie werden seit drei Jahren in aller Welt angeboten, quasi halblegal. Es gibt ein paar Fabriken, wo, weiß kein Mensch." Partner wippte bedenklich weit mit seinem Stuhl. Er war immer noch unter Spannung, und die Plauderei mit Antiterror-Chef schien in ihm Cowboy-Allüren zu fördern. "Sie könnten also auch in einer Scheune in Brandenburg hergestellt werden? Dazu braucht man doch Präzisionsmaschinen." - "Jede bessere Hobbydrehbank reicht. Wichtiger sind die Lieferanten, denn das ist beste Mobilfunktechnik in Spezialanfertigung. Das Personal ist ebenfalls ein Problem, denn die Elektronik muß äußerst genau eingestellt und getestet werden." - "Wie testet man Funkzünder?" - "Vor dem Zusammenbau mit der Zünd-Rufnummer, danach mit einer extra Testnummer. Die Hersteller garantieren eine Ausfallquote unter 1:10000. Daher ist das reine Handarbeit." - "Ihr kennt also diesen Typ, Ihr habt ihn schon auseinandergenommen?" - "Ähnliche. Dieser ist etwas eigen ..." Kommissar fand sich in seinem ersten Eindruck bestätigt. "Er ist ungewöhnlich groß?" - "Genau. Die normale Ware hat ein Zehntel dieses Volumens." - "Mehr Sprengkraft?" - "Vermutlich. Das heißt, wir wissen es ja bereits, der arme Pförtner hatte schon das Vergnügen." Kommissar wollte nicht auf einen Besuch dort verzichten. "Wozu braucht man mehr Sprengkraft bei Zündern? Ein größerer Lichtschalter gibt ja nicht mehr Licht." - "Gute Frage. Wer solche Ware einkaufen kann, ist ja nicht auf feuchtes Schießpulver angewiesen. Außerdem ist die Bauform ungewöhnlich. Normalerweise gibt es einen Empfänger, ein Kabel und eine Zündkapsel. Hier ist die Zündladung im Dorn, als ob man den Zünder in einen Ballen Schießbaumwolle stecken wollte. Die Verwendung ist also völlig unklar."

"Und das Zeug lag einfach im Posteingang?" - "Nicht einmal das. Es war in einem Paket, das niemandem im Haus zugeordnet werden konnte. Absender harmlos, ein Versandhandel. Darum stand es vor den Postfächern herum, bis der Pförtner es öffnete und den Inhalt arglos für seine Innenarchitektur verwenden wollte." Kommissar sah dem Mann sofort vor Augen, die Handbewegung ... Partner hatte noch keine Vorstellung. "Wie erkennt ein sudokuphiler Pförtner in einem alten Flughafen Funkzünder?" - "Am Knall" Beide saßen sich sekundenlang gegenüber, eifrig bemüht, keine Miene zu verziehen.

"Was genau spielt sich denn gegenwärtig am Hermannplatz ab?" Kommissar wollte die Sache etwas beschleunigen. Antiterror-Chef steckte die Plastiktüte wieder in seine Jackentasche. "Es gab noch andere Hinweise. Eine eMail wurde als Spam an alle Mieter des Hauses verschickt." Er griff wieder in die Tasche und zog einen kleingefalteten Zettel hervor, den er auf dem Tisch ausbreitete, glatt strich und zu ihnen herüberschob. "Auch aus dem Postfach?" Partner wippte, und Kommissar suchte den Text nach einem Zusammenhang ab. Es war eine dieser karg hingeschluderten Bauernfänger-Texte, die täglich massenhaft über das Netz ausgeschüttet wurden. Kontaktgestörte Verlierertypen grasten Tag und Nacht das Internet nach ungeschützten Rechnern ab und sammelte so riesige schwarze Netzwerke zusammen, die als Spam-Maschinen für wenige Euro vermietet wurden. Randexistenzen, Narren, oft gescheiterte Jura- und BWL-Studenten sendeten ihre schlichten Betrugsversuche mitunter zu hundert Millionen Briefkästen. Falls nur jeder Millionste dumm genug war, darauf zu reagieren, konnte man damit ein paar gute Scheine verdienen. Hundert Millionen Menschen aber mußten hinschauen, anlesen, sich ärgern und löschen. Was für eine Verschwendung von Lebens- und Arbeitszeit, was für ein Dummheitsverstärker.

Dieser Text war aus dieser Kategorie, aber wohl nur regional gedacht: "Gruß, mein zart es, mich kurzlich angegriffen An dir. Dieses wird mit uns wertvoll. Ich kann kaum zu erwarten; den Arm zu schließen Dich in. Vielleicht U-Hermannplatz U-7 Kiosk Ostersonntag?" Beim dritten Lesen hielt er das Blatt weit von sich und erkannte, was im Aufbau nicht stimmte. "Künstliche Intelligenz. Werden solche Forschungsprojekte immer noch gefördert? Nach 'Verbmobil' habe ich die Szene nicht mehr verfolgt." Partner hatte auch hineingeschielt. "Immer noch, massenhaft. Was willst du, die Leute schmieren sich ranzige Öle auf die Haut und hoffen, jünger zu werden. Hier werden wenigstens Jungwissenschaftler geparkt." Jetzt bitte keine Moral, dachte Kommissar. "Der erste Teil ist lediglich über vier Sprachen durch den Übersetzerautomaten gejagt worden. Es fehlt natürlich die Uhrzeit. Wo aber ist die Verbindung? " Partner nahm den Zettel in die Hand und suchte die Kopfzeilen mit dem Finger durch. Die eMail war als nackter Kode ausgedruckt, und Kommissar hatte die kryptischen Kopfzeilen ignoriert. "Die ID ist kein ordentlicher Wert ... ist das nicht eher eine Telefonnummer? Es gibt auch keinen Absender, gar keinen, das ist technisch kaum möglich."

"Die Mail ist vermutlich von einem präparierten Server verbreitet worden. Es gibt übrigens einen Anhang, eine Jpeg-Grafik, die tatsächlich einer dieser seit Jahren bekannten Würmer ist. Jede Virussoftware schlägt sofort Alarm. An einer Stelle wurde der Wurm geändert. Er füllt nicht mehr alle Systemdateien mit einem Hackerspruch, sondern nur eine unwichtige Protokolldatei. Sein neuer Text lautet: '12x11 0148/67352645-7 ~16.00'. Die Nummer in der ID ist wohl eine Sicherheitsfalle. Sie ist an ein Prepaid-Telefon vergeben, vermutlich werden die Täter bei Anruf gewarnt. Die untere Nummer ist unbekannt, auch das Netz existiert nicht." - "Was soll dieses12x11? - Wann ist die eMail denn eingegangen?" Partner reichte Antiterror-Chef das Blatt zurück. "Erstens: noch unklar. Zweitens: vor knapp zwei Tagen" - "Zeitgleich mit der Post-Sendung?" - "Vermutlich zeitgleich mit der Auslieferung."

"Also schon wieder ein Einsatz zur Hauptverkehrszeit am Hermannplatz." Kommissar blickte Antiterror-Chef an, der aber keine Regung zeigte. Kommissar ließ ihm wenige Sekunden Zeit. "Danke für die Informationen." Er stand auf, grüßte Antiterror-Chef mit einer dezenten Handbewegung und ging hinaus. Partner folgte etwas überrascht nach. Draußen ging Kommissar zielstrebig in die Halle, die Treppe hinauf und direkt zur Glasscheibe der Pförtnerloge. Er klopfte mehrmals ans Glas, um den Hausherr diesmal vorzuwarnen, sah ihn aber ohne Reaktion auf seinem Stuhl sitzen, und zwar nicht an der Theke vor dem kleinen Kundenfenster, sondern mitten in dem kleine quadratischen Raum. Also winkte er Partner hinter sich her und ging zur Rückseite, wo er die Tür gegen alle Erwartung erneut offen fand. "Nicht erschrecken, wir kommen jetzt mit erhobenem Ausweis herein." Mit einer Antwort oder einer freundlichen Reaktion hatte er letztlich nicht gerechnet. Er fand den Pförtner in einem völlig apathischen Gemütszustand, und er sah die Ursache überdeutlich vor sich. Als Partner hinter ihm eintrat, blieb auch er erschüttert stehen und kratzte sich ratlos am Kopf. "Oh ... das waren wir aber diesmal nicht." Der Sitzende langte aus seiner kauenden Haltung heraus unter den Stuhl, hob einen Flachmann hoch und ließ noch die Andeutung eines Zuprostens erkennen, bevor er den letzten Schluck in sich hineinträufelte. "Schöner Wohnen"

Der Boden war, wie sie es schon einmal erlebt und damals selbst verursacht hatten, mit unzähligen Sudoku-Heften bedeckt. Wieder waren alle Stapel umgestürzt, es waren viele Stapel, und nicht ein einziges Heft war wieder aufgelesen worden. Mehr aber noch erschütterte sie das beträchtliche Loch in der Wand, ein Krater von der Größe einer halben Honigmelone. Gips und Mauerreste lagen im ganzen Raum verstreut. Kommissar musterte mit finsterer Ahnung den Körper des Zusammengesunkenen, aber der zeigte keine direkten Spuren von Verletzungen. Partner stieß jetzt Kommissar an und deutete auf den Boden unter dem Stuhl. Erst mit Verspätung bemerkte Kommissar den entscheidenden Fakt. Der rechte Fuß stand dort im braunen Socken, wogegen der linke ordnungsgemäß in einem blank polierten schwarzen Lederschuh steckte. Nach langem Herumsuchen entdeckte Kommissar den zweiten Schuh, oder das, was von ihm übriggeblieben war. Er lag gegenüber dem Loch auf dem Boden, der Vorderteil lediglich mit Gips bestäubt, die Hacke aber regelrecht zerfetzt. Unter dem Loch aber stand, ebenfalls vom Gipsstaub überdeckt, ein Bilderrahmen von beachtlicher Größe. Kommissar staunte nicht schlecht, als er unter dem Staub ein Portrait von Ghandi entdeckte. Dieser Mensch hier hatte unbekannte Tiefen.

"Wir haben doch alle unsere Regale und Billies zusammengeschraubt. Das sind doch immer friedliche schwedische Hölzer gewesen. Seit die Chinesen das Zeug bauen, ist das richtig gefährlich geworden." Partner stand ehrfurchtsvoll vor dem Wandkrater. "Das war aber kein Original-Teil, daß sie da verbauen wollten. Wahnsinnige Sprengkraft. Der Schuh war ihre Rettung, mit einem Hammer wäre das schiefgegangen." - "Das steht in der Anleitung." - "Aber doch nicht mit einem Schuh!" - "Steht in der Anleitung" Kommissar hob das Doppelblatt von der Theke auf, blies den Staub herunter und schlug es auf. Es war diese neuartige Sorte von Anleitung, die nicht mehr aus 22 unlesbaren Textblöcken bestand, je in zig Sprachen wiederholt, sondern aus einer Folge von Zeichnungen, einer Art von Comic, in der ein Strichmensch die notwendigen Montagehandlungen vormimte. "Tatsache" Er reichte das Blatt an Partner. "Tatsache, mit dem Schuh. Aber doch nicht diese riesigen Pseudoreiszwecken. Dafür gab es doch sicherlich einen Nagel im Plastikbeutel" Kommissar reichte Partner schweigend einen noch verschlossenen Plastikbeutel. "Das kann nicht wahr sein!" Der Betroffene blickte hoch. "Das ist ein wirklich schöner Nagel, und das Band hält sicher gut hinter dem dicken Kopf. Ich war sicher, ich hätte den Beutel schon geöffnet." Kommissar hatte tatsächlich noch nie solch einen voluminösen Nagelkopf gesehen, zumal er auch den Zünder mit seiner speziellen Form zum ersten Mal in seinem Leben erblickt hatte, ironischerweise wenige Minuten zuvor.

Partner wollte trösten. "Sie haben einfach die Zünder aus dem Karton genommen und dann einen neben den Nagelbeutel gelegt. Man kann die wirklich leicht verwechseln. Der Nagel sieht wirklich schick aus." - "Ich habe den Karton nicht aufgerissen." Kommissar und Partner sahen sich verständnisvoll an. "Es ist schon in Ordnung, wenn sie hier nach dem Rechten sehen. Das Zeug sollte nicht ewig vor den Briefkästen stehen." - "Das stand da bloß zwei Tage. Was glauben sie, wie lange da immer die Kisten stehen? Die Wachleute bestellen sich ihre Videos hierher, weil sie ja tagsüber schlafen wollen. Und dann bleiben die hier stehen, bis die wieder in die Nachtschicht kommen, manchmal einen ganzen Monat. Der Laden ist richtig eingeschlafen in den letzten Jahren. Nu ist ja bald auch Schluß." Kommissar sah Partner erneut an, diesmal etwas irritiert. "Warum haben sie denn dann das Paket geöffnet?" Der eben noch aparthische Mann führ hoch. "Ich habe kein Paket geöffnet! Es stand seit gestern vor meiner Tür. Heute Morgen war es aufgerissen, mit roher Gewalt einfach eingerissen, statt an dem roten Faden zu ziehen. Die Designer lassen sich richtig was einfallen, und die Trottel reißen einfach die Pappe auseinander, daß alles auf den Boden fällt. Also hab ich es reingenommen und wieder ordentlich zugeklebt. Als ich das Bild anbringen wollte, lag dieser blöde Nagel vor meinen Füßen auf dem Boden, und ich dachte, hoppla, da ist das teure Teil ja." Er war bei diesem Bericht wieder hinuntergesunken. "Und dann BUMM! Hat das mir den Schuh aus der Hand gerissen, meine Herren. Was für ein Nagel!" Er war unvermittelt wieder aufgesprungen. Jetzt sahen sich alle drei lange an, zwei davon sehr verdutzt.

"Der eine Nagel, also dieser Zündkopf, lag einfach so auf dem Boden? Waren denn noch mehr dieser Teile aus der Kiste gefallen?" - "Nix war aus der Kiste gefallen. Die war aufgerissen, aber darin war blos dieser ekelhafte Schaumstoffschotter, und den habe ich restlos wieder in den Karton gestopft, bevor ich ihn zugeklebt haben. Da war nicht mehr auf dem Boden, kein Schaumstoff, kein Nagel, keine Goldklumpen. So bin ich nicht. War ja nicht mein Eigentum." Kommissar war sich sicher, daß ein Pförtner, der seinen Posten nicht verlieren will, genau dieses immer so schildern würde. Es machte keinen Sinn, sich darüber zu streiten. "Wieso ist das Teil überhaupt explodiert? Von einem modernen Hightech-Zünder müßte man doch mehr Sicherheit erwarten können." Partner fühlte sich angesprochen. "Keine Ahnung, ich habe noch nie Zünder in die Wand genagelt. Ich frage mich nur, w..." Jetzt mußte er doch über seinen Spaß kickern, und das Erstaunlichste geschah, der vom Schicksal hart geschlagene Pförtner kicherte ebenfalls. Es dauerte eine ganze Weile, bis beide sich wieder einigermaßen beruhigt hatten, und beiden tat diese Albernheit erkennbar gut. "Also ... ich frage mich bloß, wieso dieses Teil explodiert, wo es doch sicherlich genau so auch platziert werden soll? Es soll doch in den Sprengstoff, den wir nicht kennen, hineingestochen werden. Dazu ist dieser Dorn doch schließlich gedacht, oder?" Er sah erst Kommissar und dann den Pförtner fragend an, um dann einige Ausführungen über die Konsistenz und Brisanz von verschiedenen aktuellen Sprengstoffen zu machen, denen Kommissar nicht recht folgen wollte. Er betrachtete statt dessen das gipsbepuderte Ghandi-Bild in der Hoffnung, sich aus der Person des Pförtners einen Reim machen zu können. Auch dieser fand die technischen Angaben von Partner irgendwann nicht mehr spannend, folgte dem Blick von Kommissar und zeigte mit dem kleinen Finger auf das mißhandelte Bild des oft mißhandelten Asketen. "Der brauchte keinen Sprengstoff. Wenn es hart kam, hat der einfach Diat gemacht." Kommissar nickte ihm zu. "... käme eigentlich nur Plastiksprengstoff in Frage, den man gerne wie Heroin in Plastikfolie einwickelt. Das wäre vorstellbar. Schade, daß wir uns das Exemplar nicht genauer angesehen haben." Hier hatte der Ghandi-Freund wieder zugehört, trat seitlich an eine kleine Komode, zog eine Schublade auf, griff hinein, und als Partner gerade über Plastiksprengstoff in der Form von Mehltüten dozierte, hielt der Pförtner ihm einen Nagel mit sehr dickem Kopf vor die Nase.

Kommissar schaute irritiert auf den immer noch verschlossenen Plastikbeutel, und Partner verschlug es sofort die Sprache. "Sie haben noch mehr Zünder aus dem Päckchen herausgenommen?!" - "Ich habe KEINEN Nagel aus dem Päckchen genommen. Der lag hier unter der Theke." Jetzt schaute Kommissar ihm in die Augen, noch irritierter, und der Pförtner roch natürlich, welcher Verdacht im Raume hing. "... hier rennt doch mittlerweile jeder durch, die Sicherheit, die Feuerwehr, die Putzweiber, die Bullen ... " Kommissar stellte den Kopf schräg, Partner kratzte sich am Kopf. "... und natürlich unsere liebe Polizei. Hier ist nur noch offene Tür, dauernd kann ich die Kugelschreiber nachkaufen!" Seinem gesunden Volkszorn standen zwei schräge Blicke mit hochgezogenen Bauen entgegen, und so vertiefte er dieser Schilderung nicht weiter. Partner betrachtete den Zünder unter einer Taschenlupe, die er dann beide schweigend an Kommissar weitergab. Es war auf den ersten Blick zu erkennen, daß dieser Zünder eine Variante des vorhin vorgezeigten darstellte. Auf dem bekannten Zylinder von der Größe einiger zusammengeklebter Euro-Stücke tronte eine streichholzlange Spitze, die wirklich zuerst an einen Nagel erinnerte. Es war alles aus einem monolithischen Block gedreht, die Zylinderkanten sauber abgerundet und mit Querrillen griffig gemacht. Die Elektronik verbarg sich im nach unten offenen Zylinderkörper. Sie war mit grauem Harz vergossen. Daraus ragte der Dorn, ein schräg geschnittenes Metallrohr, die Spitze präzise geschliffen und dadurch messerscharf. "Der Dorn ist vermutlich zugleich die Antenne, mit der Metallkuppe zusammen ein Dipol. Das funktioniert natürlich nicht unter Wasser." Partner war sichtlich fasziniert, während Kommissar keine Sekunde das riesige Loch in der Ziegelmauer vergaß und den bösen Nagel vorsichtig auf den Tisch legte. "Was fängt man damit an? Steckt man das in ein Marzipanschwein, das in Wirklichkeit aus Semtex besteht? Solch eine Form von Pickelhaube fällt doch überall auf. Das geht weder als Ziernagel noch als Sesselfuß durch." Auch Partner war hier ratlos und durchsuchte verzweifelt seine innere Grabbelkiste nach möglichen Formen und Funktionen ab. Mehrmals setzte er an, aber keine Assoziation hielt dem genaueren Vergleich stand. Eine stille Minute brach an, durch gelegentliches Kopfschütteln nur optisch gestört. Dann sahen sie sich beide an und zuckten einvernehmlich mit den Schultern. Nur der Pförtner war relativ sorglos vor ihnen auf seinem Stuhl in die Betrachtung seines neuen, aber staubigen Bildes vertieft und achtete nicht auf diese Fragestellung. Kommissar hielt aus Neid auf diese gepflegte Sorglosigkeit den gefährlichen und nicht einzuordnenden Zündnagel vor die Augen des Meditierenden. "Wo haben Sie so etwas schon mal im Alltag gesehen?" - "Auf dem Tresen!" Der Pförtner lehnte es ab, seinen ruhenden Blick stören zu lassen, aber seine rechte Hand wies entspannt auf das Durcheinander seines Tresens, wo sich neben unzähligen Stapeln von Sudoku-Heften auch Plastikbüchsen, Kaffeetassen und ein Arsenal von Fastfood-Artikeln fand. "Wo?" - "Augen auf!" Der Pförtner war abrupt aufgesprungen, hatte nach einer Plastikflasche gegriffen und den Verschluß neben den Nagelkopf gehalten.

"Ah!" - "Oh!" Partner war von der Passung fasziniert, Kommissar hingegen bereits entsetzt über die Schlußfolgerung. Es war tatsächlich eine getreue Nachahmung des handelsüblichen Schraubverschlusses, der bei vielen Getränke-Flaschen von Mineralwasser bis zum Zuckertee üblich war. Als solch ein Verschluß war der Zünder vollkommen alltäglich und unauffällig, solange man nicht das massive Metall erkannte. Warum aber baut jemand einen Zünder in Verschlußform? "Warum baut jemand einen Zünder in Verschlußform?" Partner starrte Kommissar an, der starrte zurück. Der Pförtner glaubte offenbar, daß die Frage noch offen war. "Vielleicht ... duschen die so, die Terroristen. Zwei Sixpack in die Dusche, zwölf mal zuschlagen, sauber!" Diesmal war der Pförtner sicher, daß auch sein Witz von seinen Gästen angenommen würde, und prustete los. Partner schlug sich an die Stirn. "Scheiße!" - "So gut war Ihr Witz eben auch nicht"

Kommissar lachte nicht, schon weil er vor seinem inneren Auge ein faltiges Blatt Papier hochhielt. "12x11? In kleiner Schrift ohne Verzierungen ausgedruckt? Die Eins ist ein L, 12x1 LITER, zwei Sixpack!" Es war eine alte Angewohnheit, sich nach einem Gespräch ein einzelnes Detail herauszunehmen, das er in keinem Fall vergessen wollte. Hier war es das einzige offensichtliche Geheimnis gewesen, dieser seltsame Kode, zu dessen Deutung ein Kontext fehlte. Der Pförtner hatte ihn spontan geliefert. Ein Telefonat wurde notwendig. Antiterror-Chef meldete sich tatsächlich persönlich, und Kommissar gab ihm die Deutung durch. "Passt, zehn dieser Pickelhauben lagen noch in dem einen geöffneten Beutel." Innerhalb einer halben Minute war der Nagel konfisziert, die ganze SEK-Truppe in der Halle abmarschbereit angetreten, dabei aber bereits vollständig umgekleidet.

...

 

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